Andreas Wallat

Sonntag 7. September 2008

"Theaterplakate"

Laudatio von Barbara Martin, Kustodin am Kunstmuseum dkw Cottbus

Zur Eröffnung der Ausstellung „Andreas Wallat – Theaterplakate“

am 7. September 2008

Theater ist Spiel, es unterhält uns, regt zum Nachdenken an, manchmal regt es auch auf und bringt unbequeme Wahrheiten auf die Bühne. Theater kann uns aber auch zum Lachen bringen. Das Theater ist eine Weltbühne, auf der alles überhöht oder auch überlagert und verrätselt dargeboten wird, was unser Leben ausmacht, und so hat es immer, wie konkret oder abstrakt es sich auch gibt, mit unserer eigenen Identität zu tun. Zu einer erfolgreichen Theaterarbeit gehört auch eine wirksame Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Das künstlerisch inszenierte Theaterplakat ist dabei ein wichtiger Bestandteil, denn neben der Ankündigung zeigt es auch Anspruch und die Lebendigkeit eines Theaters. Es bildet oft den ersten Berührungspunkt zu einer Aufführung. Deswegen ist es wichtig, dass vom Betrachter der Sinngehalt, der Charakter eines Stücks erfasst wird, dass er zum Hinschauen verlockt wird und eine Anmutung von dem erhält, was ihn abends auf der Bühne erwartet.

Andreas Wallat ist praktisch mit dem Theater großgeworden, deshalb fühlt er sich auch besonders dem Theaterplakat verpflichtet. Bevor er im Jahr 2000 zusammen mit einem Kollegen eine eigene Grafikdesignfirma gründete, war er bereits über viele Jahre als Grafiker an verschiedenen Theatern tätig, wie dem Theater der Bergarbeiter in Senftenberg, dem Kleist-Theater in Frankfurt/Oder und zuletzt dann am Staatstheater Cottbus. Darüber hinaus arbeitete er auch für das Görlitzer Theater, für das Staatsschauspiel und die Staatsoperette Dresden, ebenso für die Deutsche Oper am Rhein.

Die Welt der Bühne ist ihm sozusagen seit frühester Kindheit durch den Beruf der Mutter, die als Kostümbildnerin an den Bühnen der Stadt Gera gearbeitet hat, sehr vertraut. Es war für ihn gewissermaßen sein zweites Zuhause, in dem er spielerisch seine Umgebung erkundete. Ab 1973 arbeitete er dann als Bühnentechniker an eben diesem Theater.


Schwankend zwischen zwei Berufswünschen, Grafiker oder eine in die musikalische Richtung weisende Tätigkeit, denn auch hierfür gibt es eine Begabung, die ganz sicher auch familiär begründet ist (sein Vater ist Dirigent) gab der Zufall und wohl auch die Gunst der Stunde den Weg vor. Ein Angebot des Intendanten vom Senftenberger Theater, der einen Grafiker suchte, erleichterte ihm die Wahl und so war der Grundstein für seine berufliche Entwicklung gelegt. Fördernde Partner standen ihm zur Seite.


Fachliche Kenntnisse erwarb er durch die Anleitung von Freunden und im Eigenstudium. Seine Bemühungen führten 1984 schließlich zur Aufnahme in den Verband Bildender Künstler. Inzwischen sind knapp 400 Plakate nicht nur zum Theater, sondern auch zu Ausstellungen, Veranstaltungen und zu sozialen Themen entstanden. Aber man spürt auch in diesen Plakaten die enge Verbundenheit mit dem Theater, denn in seinen Bildfindungen entwickelt er meist ein eigenes dramaturgisches Vorgehen. Er inszeniert seine Plakate, er interpretiert sozusagen seine Sicht auf die Botschaft des Stücks.


Der theatralische Ausdruck wird oft noch gesteigert, indem er gezielt mit Lichteffekten arbeitet, wie sie auf der Bühne verwendet werden, dadurch erhalten sie zusätzlich noch etwas Geheimnisvolles. 

Bereits seine frühen Plakate, in denen er noch die Zeichnung als künstlerisches Mittel für die Umsetzung seiner Ideen verwendet, erinnern in ihrer Architektur oftmals an computeranimierte Bilder. Heute ist der Computer für nahezu alle Gestalter ein unverzichtbares Arbeitsmittel geworden, für Andreas Wallat ist es aber mehr als ein Hilfsmittel, das er benutzt – es ist sein Medium schlechthin, was es ihm erst ermöglicht seine Ideen umzusetzen. Eine seiner Vorlieben ist übrigens die Erarbeitung kleiner Computeranimationen, die er auch schon für das Cottbuser Theater gemacht hat, zum Beispiel für Engelbert Humperdincks Märchenoper „Die Königskinder“. Diese Animationen waren sozusagen Teil der Inszenierung. Auf der Suche nach Plakatideen gehört es auch bei Andreas Wallat zum Alltäglichen, sich sehend, hörend und kommunizierend anregen zu lassen. Bei der Ideenfindung zu Theaterplakaten versucht er, auf die Inszenierungsabsichten einzugehen, ohne sich dabei eine Idee aufdrängen zu lassen bzw. sich ihr unterzuordnen. Fesselt ihn ein Thema besonders, so liegt ihm am Herzen, ungewöhnliche Lösungen zu finden und dabei Sinn und Hintersinn immer neu zu interpretieren. Dies geschieht auch dann, wenn sich Stückthemen wiederholen und nach neuem Ausdruck verlangen.


Bei der Erarbeitung des Plakates zum Schauspiel „Amadeus“ aus dem Jahre 1989 beispielsweise wurde er zuerst durch den Gehalt des Stücks emotional erfasst, folgte aber gleichzeitig getreu dem Anliegen des Autors Peter Schaffer. Indem er die Laute A ma de us bildlich fixiert und Mozarts Gesicht durch heftig geführte Striche auszulöschen versucht soll der seelische Zustand Salieris und dessen Haltung zu Mozart deutlich gemacht werden. Damit trifft er genau die Absicht dieses Stücks.


Eine ganz andere Bildlösung findet er für das Plakat zum Tanztheater „Ich Mozart“, das 1998 entstanden ist. Es bietet gleich mehrere Assoziationsebenen. Er nimmt als bildlichen Blickfang einen Kopf an den er sogenannte Wirbel setzt (das sind die Teile eines Saiteninstruments, die dazu dienen, die Saiten des Instruments zu stimmen, man muss also an ihnen drehen, um entsprechend harmonische Klänge entlocken zu können).


Andreas Wallat nimmt dies als Sinnbild für die bestimmende Bedeutung der Musik, aber etwas ironisch auch für das überdrehte Wesen des Musikers und Komponisten Mozart, gleichzeitig erhält man auch die Assoziation von einer Perücke, wie sie zu Mozarts Zeiten getragen wurde.


Im Plakat zum Theaterstück Maria Stuart, in dem es um das Schicksal der schottischen Königin und ihrer Thronrivalin der Königin Elisabeth von England geht, schafft Andreas Wallat absichtlich eine irritierende Kippsituation. Im ersten flüchtigen Eindruck sieht man zwei Münder, die voller Zuneigung einander wie im Kuss begegnen, genauer betrachtet erkennt man jedoch ganz schnell die kämpferische Absicht, man erkennt, dass sie im Begriff sind, sich ineinander zu verbeißen. Mit einer ähnlichen bildlichen Irritation bzw. Überraschung arbeitet er auch noch in anderen Plakaten, zum Beispiel im Plakat zu „Figaros Hochzeit“ oder auch im Plakat „Der Freischütz“, einer Inszenierung von 1995. Der Blick des Betrachters wird magisch sowohl in die Tiefe als auch in die Höhe gezogen. Man fragt sich, ob es sich hier wohl um einen Höhenflug oder eher um einen Sturz in die Tiefe handelt.


Die Plakatkunst unterscheidet sich von den sogenannten freien Künsten durch ihre Zweckgebundenheit. Der Grafiker dient also einer Sache und muss sich in gewisser Weise dieser Sache unterordnen. Das bedeutet aber keinesfalls Selbstaufgabe, ganz im Gegenteil. Um gute Plakate entstehen zu lassen, ist es wichtig, den Grafiker nicht nur als Transporteur einer Botschaft zu sehen, sondern vielmehr als Gestalter einer Idee. Ideal ist es, wenn sich Auftraggeber und Künstler in ihren Vorstellungen treffen, wenn beide, um einer Lösung willen, aufeinander zugehen, wenn dem Künstler darüber hinaus genügend Freiraum für seine künstlerischen Intentionen bleibt. Bezogen auf das Theater ist es sicher kein Zufall, dass vielfach Dramaturgen und Regisseure neben dem Gestalter an der grafischen Konzeption von Plakaten mitwirken. Das muss nicht zwangsläufig bessere Ergebnisse zeitigen. Auch davon weiß Andreas Wallat ein Lied zu singen – aber er ist in der Luft des Theaters groß geworden, kann damit umgehen, und es wäre zu wünschen, dass sich seiner, man kann schon sagen leidenschaftlichen Plakatarbeit, der Bühnenraum weiter öffnen möge, was in Zeiten galoppierender Geldschwindsucht in der Kultur ein frommer, aber auch dringender Wunsch wäre.