Andreas Hanisch

Sonntag 17. Mai 2009

„5000 - Der Radius meiner Welt"

Der Fotograf Andreas Hanisch

Zur Ausstellungseröffnung spielte die

"Stan the Man's Bohemian Blues Band"

( feinster Blues aus Prag)

Anfang der Neunziger Jahre beschloss ich, bei der Eroberung der neuen großen Welt mich nicht weiter als 5000 km von meinem Haus, meiner Stadt, meinem Land zu entfernen. Seitdem versuche ich, diesen Raum Europa sowie das Mittelmeergebiet, zu erkunden.

Seit zirka 10 Jahren ist mein wiedergefundenes Mittel dazu der Fotoapparat. Ich versuche Bilder zu finden, die die Unterschiede und die Gleichheiten in diesem Raum beschreiben. Es geht also um Vielfältigkeit und Langeweile.


Jetzt kommt das große schwarze Loch in dem Alles verschwindet.“


So schreibt Andreas Hanisch, ein Freund seit Kindheitstagen, über seinen Antrieb, das Leben durch den Sucher zu finden, sich aus der Enge der vergangenen Biografie zu winden. Neben seiner Arbeit als Beleuchter am Dresdner Schauspiel versucht er, sich der Erinnerungsbilder zu bemächtigen, sich gerade dem unscheinbaren Ereignis reflexiv anzunähern.

Seine Fotos zeigen nicht den schönen Strand, die Palme, die glitzernde Großstadt Barcelona Riga Paris sondern das nebensächliche, verwechselbare und aber doch so eindringliche Zeichen. Sein Metier ist das Festhalten von Spuren. Und das ist das verbindende Thema seine Farbfotos der Nachneunziger-Jahre mit denen der Schwarzweißfotografie seiner DDR-Vergangenheit.


Katalogtext


Sehr geehrte Dame und Herren, liebe Kunstinteressierte, Freunde und Innen,


5000 Km - der Radius meiner Welt. Dieser Titel wurde vom Fotografen erfunden. Drückt sich darin eine eigenartige Anmaßung oder die besondere Bescheidenheit des Autors der Fotos aus?


Ich lasse diese Frage erst einmal unbeantwortet und stelle ihnen stattdessen meinen Freund Andreas Hanisch vor. Wenn ich Freund sage, dann in dem Sinn, dass wir uns seit Kindergartentagen kennen - dass wir als Heranwachsende die gleichen Schrebergärten unsicher machten, Kohlrabis klauten - dass wir in der gleichen Klasse das Abitur ablegten - dass wir uns immer wieder über den Weg liefen - dass wir seinen Deputatschnaps, den er als Lokführer in den Kohlegruben um Schornewitz verdiente, austranken - dass wir uns in Dresden auf der Robert-Matzke-Straße eine Dachwohnung, das Leben teilten - dass sehr viel Kraft von Andreas Hanisch auch im Aufbau des Kunsthofes ALTENAU 04 investiert ist. Aha, mag jetzt mancher denken, eine Freundschaft, die viele Jahre, Entzweiungen und Zwistigkeiten überstanden hat und nun noch urteilslos das Hobby des Freundes in einer Ausstellung zelebriert.


Wenn es so wäre, dann ist auch dieses Herangehen und der Umgang miteinander nicht so schlecht;

Freundschaftsdienst eben. Aber als ich mit Andreas Hanisch die Auswahl für diese Ausstellung traf

verblüffte mich, dass hier neben seiner Arbeit als Beleuchter am Theater ein Werk, geschöpft aus einer sehr eigenen, komprimierten Sehweise, entstanden ist. Was die Fotos in meinen Augen so interessant, mich neugierig macht, ist dieses „Danebenfotografieren“, dieses scheinbare „daran Vorbeisehen“. Die Abwesenheit des Menschenabbildes ist nur scheinbar- überall wird der Schatten sichtbar, den der, das, die Menschen hinterlassen- die Fotos sind spurenvoll Leben.


Und betrachte ich meinen Freund, nehme sein bärtig-kauziges Aussehen in Augenschein, dann

erschliessen sich seine Bilder auch über diesen Weg. Wie soll so einer die Welt nicht mit anderem,

uns bereicherndem Blickwinkel anschauen. Ein schiefer Blick, ohne Argwohn, voll mit Liebe zu den

Kleinigkeiten, warm und friedfertig. Erst auf den zweiten Blick gewahrt man eine Ahnung von Schatten, noch nichts Bedrohliches, aber doch einen Widerschein disharmonischer Gegenwelt - Spuren, banal und doch zeichenhaft, wie ein der Deutung harrendes Omen.


Unvoreingenommen begibt er sich zu den Orten, wendet sich den Menschen freundlich, als Freund zu, und verwandelt dadurch das Fremde in etwas uns Wohlgesonnenes, sogar nichts Feindliches. Nicht das Trennende findet sich in diesen Fotos. Stattdessen globalisieren Bildzeichen Gemeinsamkeit.


Andreas Hanisch ist 1952 geboren. Sieben Jahre nach einem großen Krieg und lebt nun, im 57. Jahr

stehend, hoffentlich nicht vor einer großen Auseinandersetzung. Ich glaube, dass seine Sicht, umfassender seine Haltung zum Leben, uns eine Möglichkeit des miteinander Lebens, eines freudvollen Umgangs auch mit Unbekanntem, mit dem Fremden aufzeigt. Und in diesem Kontext sind seine Bilder Friedensbilder. Der Ort wird unwichtig. Stattdessen wird das Gemeinsame, etwas sehr Menschliches entscheidend: Hoffnung auf Glück. Jene Hoffnung, die so oft enttäuscht wird und doch immer wieder aufkeimt.


All das Gesagte hat den Klang einer Liebeserklärung. Recht so, egal oder gut so! Muss man Bilder nicht lieben, um sie genießen, erfassen, begreifen zu können? Und liebt man in den Bildern nicht eigentlich die Menschen?


Ich wünsche Ihnen beim Betrachten der Bilder glückliche Momente des Erinnerns an Ihre eigenen Welten.


Paul Böckelmann

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