Paul Böckelmann

 

Wunder und Villen

Die Villen des Turmes - Weißer Hirsch


2008 macht ein Buch Furore, welches den Schriftsteller und Arzt ein Jahr später sogar noch auf den weihenden Thron des Deutschen Nationalpreises wirft: „Der Turm“ von Uwe Tellkamp. Bei der Lektüre der, als Wenderoman der jüngeren Generation gepriesenen Erzählung, tauchen die Bilder der eigenen Erinnerung an die Zeit als Student in Dresden auf. Und provoziert von der irrigen Annahme mancher Leser, daß der Turm reales Dresden, reales DDR-Leben und Erleben widerspiegelt, das Buch demzufolge als Heimatroman einzuordnen wäre, fotografiere ich im März 2009 den Weißen Hirsch in Dresden und baue die Architektur mit Hilfe der digitalen Collage in eine spekulative Kulisse um. Und so wie der „Turm“ Erinnerungsarbeit leistet, die die Wahrheit von Biografien finden, Strukturen und wirkende Mächte sichtbar machen will, so sollen die Bilder der Villen Assoziationen wecken, die mehr erreichen, als nur wehmütiges „Ach ja-Geseufze“ hervorzurufen.


Auch ist die Werkgruppe eine Liebeserklärung an E.R.N.A., die dort auf dem Weißen Hirsch ihre Kindheit und Jugend verbrachte und bis 1984 in der Wolfshügelstraße Nummer Zwei ihr Atelier hatte. Tellkamps Text spülte das Unbehagen wieder ins Bewußtsein, welches ich, der Preuße verspürte, wenn ich den Odem dieses Dresdner Stadtbezirkes atmete.



Das „Wunder von Mühlberg“


Geprägt wurde das Jahr 2002 durch das unvergessene und uns allen noch nachhaltig in Erinnerung gebliebene Hochwasser und dessen Aufarbeitung, welches eine Herausforderung darstellt(e), die wir im Landkreis bisher so nicht kannten. Was mit einer Hochwasserwarnung begann, entwickelte sich (Erreichen der Alarmstufe 3 am 14.08.02 um 07:30 Uhr und der Alarmstufe 4 am 14.08.02 um 18:00 Uhr) zu einer Hochwasserkatastrophe, die den Einsatz hunderter Helfer erforderte. Ein Tag wichtiger Entscheidungen wie die Auslösung des Katastrophenalarms, der Deicherhöhung von 9,80 m auf 10,30 m oder die Anordnung der Evaku-ierung, deren Durchführung am 15.08.02 erfolgte, war der 14. August 2002. Der Pegelhöchststand der Elbe wurde am 18.08.2002 mit 9,98 m erreicht, bevor am 19.08.2002 die Pegelstände leicht zurück gingen und am 21.08.2002 der Katastrophenalarm aufgehoben werden konnte. Das „Wunder von Mühlberg“ war vollbracht. 

( Aus dem Jahresbericht 2002 des Brand- und Katastrophenschutzes des Landes Brandenburg)


Vor diesem Hintergrund entstanden 2007 die digitalen Collagen für die Ausstellung “Wasserspiegel” des Elbe-Elster-Landkreises im Refektorium des Klosters Marienstern in Mühlberg. Da wir die bedrohliche Situation unter strahlender Sonne, bei sommerlicher Hitze und abgewendeter Gefahr erlebten und die Menschen wie immer reagierten: Situationsgerecht, ungläubig, ängstlich, Vorteile suchend, prahlerisch, mutig, hoffnungsvoll, halsstarrig und das Leben in einer kleinen deutschen Stadt im Nachhinein, in der Erinnerung etwas abenteuerlich-strahlendes, einen Widerschein von großer, weiter Welt abbekam, formte ich die Collagen wie ein Abglanz schöner Postkarten, mit denen wir üblicherweise den lieben Daheimgebliebenen unsere Freuden kundtun. Und so wie in der Fremde vieles vertrauter erscheint als gedacht, kommt uns das Heimatliche manches Mal doch recht fremd, vielleicht sogar exotisch vor. Wenn ein kaum abzuwendendes Unglück nicht über uns hereinfällt, dann läßt es sich gut lachen.


Paul Böckelmann, Altenau im Dezember 2009


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