E.R.N.A. & Peter Zimolong

Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit möchte ich Ihnen unsere neue Ausstellung in der Galerie ALTENAU 04 ankündigen:


E.R.N.A. - Figuren & Objekte

Peter Zimolong - Fotografie, URBANE TEKTONIK - Platten, Brüche, Fantasie


Ausstellungseröffnung am Sonntag 9.9.2018 und 15:00 Uhr

Dauer der Ausstellung bis 18. 11. 2018


Tobias Rank begleitet sich singend auf dem Klavier.


Aus den Katalogtexten von Heinz Weißflog


Enigma und Verwandlungszauber der Form

Zur keramischen Plastik von E.R.N.A.

Obwohl es sich um Keramiken handelt, ist der Begriff "keramische Plastik" bei den Formen der in Altenau lebenden und arbeitenden Künstlerin E.R.N.A. zutreffender. Ihre oft weiblichen Torsi, Figuren, Köpfe und Objekte umspielen die menschliche Figur in Ovidischer Verwandlung. Auch die Gefäße, Vasen und ovalen Schalenformen haben figürlichen Charakter, die animalische und menschliche Körperhaftigkeit annehmen und sich zu etwas Neuem verändern. Dabei kommen ihr ihre Erfahrungen aus Malerei und Grafik zugute, denn sie zeichnet oft direkt auf das Tonobjekt.


Mit der Änderung des Standpunktes Ändert sich auch die Perspektive

Kommunikation via Fotografie

Zu den Fotografien von Peter Zimolong

Zersprungene Gehwegplatten, gerissener Asphalt und von Gras überwucherte Treidlerwege am Elbufer mit ihren eisernen Arretierungsringen haben den Dresdner Fotografen zu Lichtbildwerken angeregt, die die Wirklichkeit des Gesehenen auf eine neue Wahrnehmungsebene heben. Das menschliche Auge und die Assoziationsfähigkeit des Gehirns projizieren eine Illusion aus sich kreuzenden Linien und Flächen in einer zweiten, abstrakten Wahrnehmungsweise. Dabei spielt bereits Gesehenes eine wichtige Rolle. Man verknüpft dieses gewissermaßen, wenn man das unbestimmte Neue wahrnimmt und für sich ins Anthropomorphe übersetzt. Für Peter Zimolong ist Kunst Kommunikation und Kommunikation eine Kunst.

Die gesamten Texte


Enigma und Verwandlungszauber der Form


Zur keramischen Plastik von E.R.N.A.

Obwohl es sich um Keramiken handelt, ist der Begriff "keramische Plastik" bei den Formen der in Altenau lebenden und arbeitenden Künstlerin E.R.N.A. zutreffender. Ihre oft weiblichen Torsi, Figuren, Köpfe und Objekte umspielen die menschliche Figur in Ovidischer Verwandlung. Auch die Gefäße, Vasen und ovalen Schalenformen haben figürlichen Charakter, die animalische und menschliche Körperhaftigkeit annehmen und sich zu etwas Neuem verändern. Dabei kommen ihr ihre Erfahrungen aus Malerei und Grafik zugute, denn sie zeichnet oft direkt auf das Tonobjekt. Durch das ausgeprochen feine Gefühl für die Farbe schafft sie lebendige, oft delikat-leuchtende Keramiken, die neben ihrer Dekorativität auch etwas Existenziell-Zwingendes an sich haben. Fast magisch, oft sich in den Raum drehend (Solitäre) und aus der Fülle des Organischen schöpfend, erscheinen ihre Sirenen und Medusen im Übermaß fragmenthafter, fantasievoller Ausführung, manchmal Schwarz bemalt auf weißer Grundierung mit einer skelletthaften Bemalung, andermals mit frischer Kolorierung des lodernden Kopfhaares oder ganz in Schwarz mit spiegelglatter, glänzender Glasur. Durch die exotische Figurenwelt von E.R.N.A. weht ein leidenschaftlicher, stürmischer, fast behexter Wind der Lebensfreude, der panischen Feier der Natur und ihrer Schönheit, eingebunden in das Enigma und den Verwandlungszauber der natürlichen und erdachten Formen.

Jedes Objekt ist ein Unikat. E.R.N.A. verwendet keine Formen aus Gips, jede Figur ist aus Platten aus geschlagenem und geknetetem Ton aufgebaut. Danach walzt sie den Ton entsprechend der herzustellenden Form. Die geschaffenen Flächen werden geschnitten oder gerissen und geometrisch oder amorph bearbeitet. Eine Gipsplattenunterlage entzieht dem Ton das Wasser und festigt ihn. Hohe Formen werden innerlich verstrebt. Auf den Ton wird direkt gezeichnet. Einmal mit Engoben auf dem lederharten Ton, in den die Zeichnung geritzt wird, dem der Glattbrand folgt oder nach dem Schrühbrand eine tranparente Glasur aufgetragen und danach gebrannt wird. Oft bringt sie die Zeichnung direkt auf den Ton oder malt nach dem Schnührbrand mit der Unterglasurfarbe. Sie malt auch direkt mit Glasuren und brennt danach oder bedient sich der Technik der Majolikamalerei, bei dem der Ton nach dem Schnührbrand mit einer weißen, deckenden Glasur grundiert wird. In die ungebrannte Glasur wird mit Majolikafarben gemalt oder gezeichnet.

E.R.N.A. beseelt ihre Figuren und Objekte mit der unbeirrbaren Kraft ihrer grafischen Fähigkeiten. Die talentierte Zeichnerin studierte in Dresden bei Prof. Gerhard Kettner. Die Sicherheit ihrer Linie trifft auf die Unumkehrbarkeit im Ton; Korrekturen sind nicht möglich. Trotzdem entsteht auch durch den Zufall Neues, Unvoraussehbares, das den Reiz der Arbeit steigert und durch die Zusammenarbeit mit der Natur ein lustbetontes Unisono erzeugt. Einheit mit dem Irdischen im Irdenen, "aus Erde, für die Erde", (mit der Erde), schreibt Paul Böckelmann in einer Laudatio. Den eigenen Brennofen nutzend, bietet das alte, umgebaute Pfarrhaus ideale Bedingungen für die eigene Kunst, Ruhe und Abstand zur lauten Welt. Auch Garten, Elbaue, Wald und Feld kommen der faunischen Natur von E.R.N.A. entgegen. Die Abgeschiedenheit von Altenau steigert das natürliche Maß der Fantasie auf besonders günstige Weise.

Heinz Weißflog

geschrieben im Juli 2018.


Mit der Änderung des Standpunktes Ändert sich auch die Perspektive

Kommunikation via Fotografie

Zu den Fotografien von Peter Zimolong

Zersprungene Gehwegplatten, gerissener Asphalt und von Gras überwucherte Treidlerwege am Elbufer mit ihren eisernen Arretierungsringen haben den Dresdner Fotografen zu Lichtbildwerken angeregt, die die Wirklichkeit des Gesehenen auf eine neue Wahrnehmungsebene heben. Das menschliche Auge und die Assoziationsfähigkeit des Gehirns projizieren eine Illusion aus sich kreuzenden Linien und Flächen in einer zweiten, abstrakten Wahrnehmungsweise. Dabei spielt bereits Gesehenes eine wichtige Rolle. Man verknüpft dieses gewissermaßen, wenn man das unbestimmte Neue wahrnimmt und für sich ins Anthropomorphe übersetzt. Für Peter Zimolong ist Kunst Kommunikation und Kommunikation eine Kunst. Seine Fotografien dienen als Vorlage für erfrischend-originelle Deutungen und Interpretationen der Wirklichkeit, die jeder Betrachter anders auffasst und für sich allein anstellt, je nach Erfahrungshintergrund und Sozialisierung.

Grundlage für die fotophilosophische Arbeitsweise von Zimolong ist die Beschäftigung mit psychosozialen Problemen im Rahmen der Erfahrungen seines Brotberufes. In seiner Diplomarbeit "Ethik in der sozialen Arbeit. Eine Betrachtung aus konstruktivistischer Perspektive" (1998) beschäftigte er sich mit Erkenntnisprozessen, subjektiver Wahrnehmung und Deutung von Wirklichkeit und den daraus resultierenden Herausforderungen im Zusammenleben - später u.a. mit dem Reframing (Änderung des gedanklichen Bezugssystems, Perspektivenwechsel) im psychosozialem Kontext, welches u.a. neue Lösungswege in der zwischenmenschliche Kommunikation eröffnet. Das systemische Herangehen an Probleme der menschlichen Psyche und des Zusammenlebens, bei dem die erneute Betrachtung (Konstruktion) von Erlebnissen durch teilweise Umdeutung und Neubewertung eine enorm wichtige Rolle (für die erwünschte, freiwillige Änderung von Einstellungen und Verhaltensweisen) spielt, ähnelt dem künstlerischen Prozess der Perspektivfindung in einer ungewöhnlichen Annäherung an das Motiv.  Zimolong versteht seine systemisch-konstruktivistisch beeinflussten Fotografien als Einladung zur spielerischen Auseinandersetzung und als Ausgangspunkt für den Austausch und das Miteinander mit dem Betrachter, also der Kommunikation. So kann man an Hand seiner Bilder Sichtweisen und Projektionen vergleichen, sie erforschen, entdecken und erfinden, Gleiches und Unterschiedliches feststellen. "Die Präsentation lädt somit ein zur gemeinsamen Kommunikation, zum Austausch über die Deutungen, zur bewussten Konstruktion von Wirklichkeit" (P.Z.).

Grundlage für Zimolongs Arbeitsweise sind Aufmerksamkeit und innere Konzentration. Seine Bodenbilder entstehen im Zustand des Gehens, wachen Schauens und Staunens. 2004 begann er eine intensivere fotografische Auseinandersetzung mit seiner Heimatstadt Dresden, aus der sich ab 2005/6 verschiedene Zyklen entwickelten, die sich mit Spiegelungen und Fassaden (architektonischen Formen) beschäftigen, mit Wänden an denen Graffiti und Inschriften zu sehen sind, sowie der Zyklus „Urbane Tektonik“. Seitdem entdeckt er in den Bodenstrukturen, vor allem aber in den Rissen der Gehwegplatten unwillkürliche Zeichnungen von Gesichtern, Figuren und Gestaltungen, die sowohl amorph als auch geometrisch auftreten. Seine meist poetischen Bildfindungen entstehen durch den konzentrierten Blick auf das Motiv und die Wahl eines mit dem Bild kommunizierenden, originellen Titels, wodurch eine besondere Spannung und ein unverwechselbarer Humor entstehen: In "Phönix" (2016) und "Oase" (2016) ist ein unverkennbarer Witz auszumachen; wie in vielen seiner anderen Bilder klingen auch allegorische Themen an. Durch die Hervorhebung der Farbe (Gelb und Grün) der Bodenvegetation entsteht ein zusätzlicher, das Auge belebender Effekt. Tierassoziationen (Ente, Rentier, Fisch), geschickt durch die Farbigkeit der Linien und Flächen verstärkt, erinnern an die Felsbilder von Altamira und Lascaux. Gleichzeitig sind die Bodenstrukturen Botschaften und Zeichen (Hieroglyphen) einer anderen Welt, die sich in uns selbst konstituiert hat. Fremdheit und Déja Vues verbinden das Bewusste mit dem Unterbewussten und fördern archaische Figuren in uns zutage, die clandestine, parapsychische Formen annehmen, aber auch den universalen Zusammenhang der Dinge im Spiel mit unserer oberflächlichen Wahrnehmung demonstrieren.

Heinz Weißflog

Dresden im Juli 2018

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